Hip, Hipster – hooray

H.i.p.s.t.e.r. klingt immer noch jung, frisch, gegenwärtig, wurde allerdings schon längst vom „Hypebeast“ abgelöst. Beim Hypebeast handelt es sich tatsächlich um etwas sehr Imposantes. Denn es geht knallhart um das Maximum: Ausschließlich Markenklamotten in möglichst limitierter Edition auf Instagram & Co. zu präsentieren und damit die Anerkennung der Anderen zu erlangen. Imposant daran ist, zu welchen Preisen die Teile über den Ladentisch bzw. in den Online-Warenkorb gehen. Diese Generation ist bereit, komplett überteuerte Preise zu zahlen, einfach um sich dem Fame sicher zu sein. Eine typische Beaster-Aktion ist zum Beispiel, stundenlang in der e-commerce- Warteschleife zu hängen um die Möglichkeit zu erlangen, das Fashionteil eines bekannten Labels in den Warenkorb zu legen, dessen Design von irgendeinem Mega-Influencer kreiert wurde und dadurch umgehend um ein vielfaches teurer weiterverkauft werden kann – hier fällt das Stichwort Reselling. Für die Generation Hypebeast geht es also genau genommen um Markennamen, Status, Geld, exklusive Haircuts – es soll unbedingt so aussehen, als hätte man für jeden tagesaktuellen Trend sofort das Geld verfügbar und lächelt am nächsten Tag über die Follower, da das begehrte it-piece oft the day quasi schon längst wieder aus der Mode ist. Um es mit den Worten von Oscar Wilde zu sagen „Nichts ist so gefährlich wie das Allzumodernsein. Man gerät in Gefahr, plötzlich aus der Mode zu kommen.“

Foto by Angelo Seminara for davines

Es gab schon mal so einen ähnlichen Hype – da ging es allerdings ehr um allgemeines Blingbling; dass konnte auch günstig sein und sah dementsprechend oft etwas billig aus. Dadurch entwickelte sich Fastfashion wie ein Geschwür und dem entgegen standen dann irgendwann die Hipsters.

Ein absolut konträres Erscheinungsbild zu den Hypebeastern, denn ein Hipster lief exakt genauso rum wie jeder andere Hipster, man wollte mit der Masse verschmelzen und sich über wichtigere Dinge austauschen, als über Fashion. Durch diese Überpräzens an Holzfällerhemden über der Skinny-Jeansträgern, die kollektiv alles Hab und Gut in einem Jute-Beutel über der Schulter trugen wurde der Rest der Mitmenschen irregeführt, dass sich ein Hipster über nichts konkretes und erst recht nicht über die anderen Gedanken macht, sondern lediglich auf seine Dinkelmilch zum brewcrafted coffee bestand. Hinzu kam, dass Mann wie Frau einen Dutt mitten auf dem Kopf trugen und selbst die Geschlechter sich neutralisierten.

Der Begriff Hipster wurde und wird oft ein wenig abschätzig, oberflächlich, belächelnd verwendet. Und oft, wie ich finde zu oft, eine schnelle Pauschalisierung hinsichtlich des Looks eines Hipsters. Dabei sind weit mehr Mitmenschen dieser Kategorie zuzuordnen, die nicht mit besagtem Oberkopfdutt und Vollbart rumrennen. Ich frage mich, welche Mühe gibt sich die Gesellschaft, den Hairstyle eines Menschen zu bewerten? Vor allem eines jungen Menschen, von dem wir automatisch erwarten, dass er uns einen gewissen Trend präsentiert. Lässt das äußere Erscheinungsbild wirklich bei jedem Einzelnen die Lebensideologie und die Denkweise desjenigen rückkoppeln?

Foto by Angelo Seminara for Davines

Haben Sie Lust auf eine, meine ganz persönliche Zeitreise zurück in die 80igerJahre, meine Zeit als Teenager in der DDR? Ich bin als Jugendlicher in einem Subszene-Kulturclash in einem ehemaligen Luftkurort mit Ritterfestung, einem kleinen, anschaulichen Dorf in Thüringen aufgewachsen. Es gab einen Tanzsaal, vier Gasthäuser, zwei Bushaltestellen, einen kleinen Bahnhof, Bäcker, Fleischerei, einem Souvenierladen mit Schreibartikeln in welchem meine Omi arbeitete, Kindergarten und Schule waren gleich nebenan. Also alles hübsch an einem Fleck.

Elgersburg / Thüringen

Meine Schulzeit empfand ich noch als relativ entspannt und ich konnte meine Entwicklung beflügelt durch die Wachstumshormone positiv wahrnehmen. Mit Autoritäten hatte ich dennoch schon meine Probleme. Das Ende der Schulzeit stellte daher einen drastischen Wendepunkt in meinem Leben dar. Aus meinen Erinnerungen heraus möchte ich heute feststellen, dass ich damals kein Interesse an einem bürgerlichen Werdegang hatte. Wie die meisten andere Jugendliche meiner Generation, begann mein Interesse an Musik und Mode sich gefühlt täglich zu verstärken.

Indipendantmusik und der leise Aufbruch von Strömungen der elektronischen Musik begannen mich immer mehr zu elektrisieren. Ich verließ Anfang der 90iger meine Heimat und erlebte in Hannover als neuen Wohnort eine zweite Sozialisierung im Elektronischen Musikclub. Wir reisten viele Jahre quer durch Deutschlands Zentren der Klubkultur und ich erlebte wie neue vielschichtige Lebensmodelle aus dieser Kultur heraus entstanden sind. Das war viele Jahre ein großes Fest der hedonistischen Freiheit. Menschen unterschiedlicher beruflicher Herkunft und sexueller Gesinnungen wirbelten durcheinander und hatten einen mega Spaß und wurden von den überholten 80ern Modellen teilweise mit großem Spot belächelt. Fuck off!

Ich kann ein Motor für Kreativität sein. Dieses Gefühl beflügelte. Der hippe Geist wie ich ihn damals zum ersten Mal erlebte, war und ist prägend für mein Denken und Handeln in der Gegenwart.  Mit dem Abklingen Anfang 2000 stand eh bereits die nächste Generation in den Startlöchern und machte genau Ihr Ding. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass auch ich nicht immer allen neuen Strömungen zugewandt war. Mit etwas Abstand und aus meiner heutigen Sicht kann ich mein intolerantes Verhalten und Uneinsichtigkeit belächeln und sagen, dass ein Presse-Wort wie Hipster ein Akt der Hilflosigkeit ist.
Toleranz ist eine Tugend!  Der großartige Schauspieler Sir Peter Ustinov beschreibt in seinem Buch Achtung! Vorurteile, sehr treffend mit analytischem Blick, wie schnell wir gefährliches Halbwissen benutzen, um Äußerlichkeiten negativ zu beurteilen.

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Dozentin Diana Weis, Dozentin an der HAW Hamburg und AMD Berlin über Jugendkulturen sagt “ Besonders in Berlin stehen die 90er Jahre für Aufbruch und Partystimmung. Die Mauer war weg, der 11. September noch weit entfernt. Das Revival beschwört eine Zeit herauf in der noch alles möglich zu sein schien, so Weis. Ein weiterer Grund ist, dass man zu dem Jahrzehnt, in dem man geboren wurde, immer eine natürliche Affinität hat. Mode sei stets auch mit Kindheitserinnerungen verknüpft, die einem das Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Generation Y – die Millenials lösen den Hipster ab, sie sind erwachsen geworden. Der Style der Hype-Beast erinnert stark an die 90´er Clubwear und Streetfashion. Ein Sammelsurium aus Versatzstücken aller Jugendkulturen, die zwischen 1999 und 2000 maßgebend waren.    
 

So wurden die Vollbärte zu Schnauzern, die Hornbrille wurde ein Metallgestell und die Klamotte sah immer mehr nach 90iger-Jahre-Modestrecke aus. Jetzt wird es richtig gefeiert, die feminine, maskuline und vor allem genderübergreifende Mode der Endneuziger und Nullerjahre. Alle sehen aus, als würden sie den ganzen Tag Fitness machen, die Skinnyjeans und Leggins sind passé – jetzt muss die weite Joggighose her, Bauchtasche umgeschnallt; Hauptsache Hände frei für die digitale Hardware und die Haare färbt man am besten grau, lila, rosa, blau.

Natürlich waren die Haare schon immer ein wichtiges Ausdrucksmittel, um seine eigene Ansicht, seine Individualität der Gesellschaft darzustellen. Eine moderne Trendfrisur oder eine Kurzhaarfrisur kann nett und alltagstauglich aussehen, sie kann aber auch extrem die Persönlichkeit unterstreichen, wenn man das möchte.Äußerliche Merkmale sind heute wie damals geprägt von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit der Idee, wie sie die Zukunft sehen und wie sie Ihre Rolle in der Gesellschaft wahrnehmen und diese verändern wollen. Rebellion muss in jede Zeit passen.

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Für den unentschlossenen User sind Suchmaschinen zu Beauty- und Fashionbloggs ein Eldorado. Diese Bloggs und Videobeiträge entwickeln sich meist aus den szenigen Keimzellen der Großstädte weltweit – somit sind auch Hairtrends schnell aufgespürt und umsetzbar. 

Wenn also mal wieder der liebe Bekannte im vertrauten Ton pauschal über den Look der nächsten Generation herzieht und für die Zukunft schwarz sieht, kann man ihn einfach mal mit der Frage konfrontieren, woher die Angst vor der Veränderung kommt. Jeder kann und sollte heute seine eigenen gewachsenen Werte leben. Und gerade im aufgeschlossenen Alter sieht man den Hype um Trends oder Hipsterfrisuren mit Respekt und Würde entgegen. Mach’s doch auch! Und zum Glück gibt es mit New Heritage und Upcycling, Nachhaltigkeit in allen Bereichen unseres Lebens und vor allem fair produzierte Mode sind ein wichtiges Gegengewicht zu allen Highspeed-Veränderungen!

Ihr Kay-Uwe Lenk | KAYSALON